Thea war inzwischen mehr als gereizt. Der Übungskampf mit Romeo - der für sie eigentlich mehr eine Möglichkeit war, ihn ordentlich zu verprügeln - zog sich schon eine ganze Weile, und zum Verprügeln kam es nicht, da sie damit beschäftigt war, seinen Charme-Sprech-Fähigkeiten zu widerstehen und zugleich weiterhin Angst in ihm zu erzeugen. Schließlich schaffte sie es, seinen Einfluss auf sie zu brechen, und ließ ihre Kontrolle über ihn ebenfalls fahren, um sich ganz auf ihren nächsten Angriff zu konzentrieren. Mit einem Wutschrei stürmte sie vor und schwang ihr Schwert, in der Hoffnung, Romeo mit diesem plötzlichen Angriff überraschen zu können. Sie war so im Kampfrausch gefangen, dass sie das Muschelhorn, das zum Abendessen rief, ganz überhörte.

Thea stieß ein wütendes Knurren aus, als Romeo ihren Schlag abfing und dagegen hielt. Sie bemerkte schnell, dass sie sich gerade in einer Patt-Situation befand, denn auch wenn Romeo ein Kind der Aphrodite war, vernachlässigte er sein Training ganz und gar nicht, und überragte sie dummerweise auch um ein gutes Stück. Da erklang zum zweiten Mal das Muschelhorn, und dieses Mal bekam sie es auch mit. Schnell wich sie zurück, in der Hoffnung, dass Romeo durch ihr plötzliches Nachgeben aus dem Gleichgewicht gebracht werden würde und ihr zumindest dieser Triumph vergönnt wäre. "Schade, ich werde wohl bis morgen warten müssen, um dich fertig zu machen", bemerkte sie mit einem Grinsen und wandte sich dann ab, um aus der Arena zu stapfen, im vollen Vertrauen darauf, dass Romeo sich zu fein wäre, sie von hinten anzugreifen.

Sich mit Romeo auseinander zu setzen, war einfach jedes Mal wieder nur frustrierend, und dennoch konnte Thea es nicht lassen. Bei den Worten, die er an ihren Rücken richtete, drehte sie sich wieder um und lief rückwärts weiter, ihre beiden Waffen noch in der Hand. "Ach, wieso denn? Vorsichtig bin ich nur bei denen, die eine Bedrohung für mich darstellen", erwiderte sie mit einem Grinsen, drehte sich dann erneut um und beeilte sich, aus seiner Reichweite zu kommen, sollte er seine feine Art doch noch überwinden, um es ihr heimzuzahlen. Entgegen ihrer Behauptung wusste Thea nämlich, dass er ihr durchaus gefährlich werden konnte, auch wenn es sie wurmte.
Die Mitglieder ihrer Hütte warteten bereits auf sie, und an der Spitze des Zuges gingen sie schließlich gemeinsam zum Speisepavillon.

-> Speisepavillon, Tische der Hauptgötter

Isa machte einen Salto, und als sie am höchsten Punkt angelangt war, stach sie mit ihrem Dreizack zu. Der Kopf der Strohpuppe flog in hohem Bogen davon, doch sie hielt nicht inne, sondern attackierte gleich die nächste Strohpuppe. Sie hatte mit Chiron ausgemacht, dass sie nicht zum Klettern musste, solange sie regelmäßig mit ihrem Dreizack trainierte. Widerwillig hatte sie sich auf den Deal eingelassen. Aber nur, weil sie selbst einen Nutzen darin sah, gut kämpfen zu können. Für die Götter würde sie nie in den Kampf ziehen, aber wenn sie irgendwann wieder außerhalb vom Camp leben wollte, musste sie sich verteidigen können.

Ich hatte mich heute dazu entschieden, etwas mit dem Speer zu trainieren. Eigentlich war ja der Bogen meine eigentliche Glanzdisziplin, aber auch der Speerkampf taugte mir recht gut und ich war auch mal gar nicht so schlecht darin. Bei der Arena angekommen, merkte ich aber schnell, dass schon jemand anderes dabei, mit aller Kraft auf die Strohpuppen einzudreschen und dabei zeigte sie kein Pardon. Da mich ihre flüssigen, aber dennoch kräftigen Bewegungen jedoch sehr beeindruckten, blieb ich in ausreichendem Abstand stehen und sah ihr ein wenig zu. Auf den zweiten Blick erkannte ich dann auch, dass es sich dabei um das Mädchen handelte, welches am Poseidon-Tisch zu sehen war. Ich hatte schon gehört, dass Kinder der sogenannten Großen Drei wohl sehr mächtig sein sollen, aber damit hatte es sich auch schon mit meinem Wissen. Ihren Name wusste ich leider nicht, ich glaubte, sie war auch noch nicht lange hier im Camp und unterhalten hatte ich mich mit ihr auch noch nicht. "Nette Technik", machte ich mich dann schließlich bemerkbar und warf ihr einen anerkennenden Blick zu.

Isa hatte zwar bemerkt, dass jemand in die Arena gekommen war, aber nicht weiter darauf geachtet. Erst als sie angesprochen wurde, hielt sie inne und warf einen irritierten Blick zu dem Jungen, der nicht weit von ihr stand. Sie kannte ihn nicht, und sie hatte bisher nicht genug auf die Leute im Camp geachtet, um ihn zuordnen zu können. "Danke", erwiderte sie kühl und wandte sich der nächsten Puppe zu, ohne ihn weiter zu beachten. Sie wirbelte den Dreizack zwischen ihren Händen hin und her, ehe sie ihn in den Brustkorb der Puppe versenkte.

Hui, das war jetzt aber doch sehr abweisend gewesen, aber als ob ich mich davon großartig abschrecken lassen würde. Doch da sie vertieft in ihrem Training zu sein schien, wollte ich sie jetzt nicht weiter bequatschen und sie so in ihrer Konzentration unterbrechen. Stattdessen sah ich ihr erst noch eine Weile dabei zu, wie sie ihre Waffe umherschwang. Einen Dreizack hatte man hier im Camp noch nicht oft gesehen, zumindest fiel mir gerade niemand ein, der sonst einen benutzte. Aber wenn sie eine Tochter von Poseidon war, dann war das doch eine durchaus passende Waffe. Bevor ich meine Zeit jedoch noch länger damit verbrachte, das Mädchen zu bewundern, sollte ich wohl lieber das machen, wofür ich hierhergekommen war. Ich blieb weiterhin auf Abstand zu ihr, um ihr ihren Freiraum beim Training zu lassen, und fing erstmal mit ein paar Aufwärmübungen an, die zwar aus einfachen, aber kräftigen Stichattacken bestanden.

Isa merkte durchaus, dass der Junge sie beobachtete, beschloss aber, das einfach zu ignorieren. Er würde schon irgendwann verschwinden. Leider hatte sie allerdings übersehen, dass er wohl nicht ohne Grund hierher gekommen war. Immerhin hielt er bei seinem Training Abstand zu ihr, und als sie eine Verschnaufpause brauchte, sah sie ihm tatsächlich unauffällig zu. Allerdings nicht lange, denn seine Übungen kamen ihr ziemlich langweilig vor, und nach kurzem Überlegen beschloss sie, es für heute gut sein zu lassen. Sie hatte trainiert, das reichte ja wohl. Sie strich über den Stil des Dreizacks, der sich daraufhin wieder in einen Pinsel verwandelte, und steckte diesen weg.

Ich hatte aus den Augenwinkeln bemerkt, dass das Mädchen nicht mehr weitermachte, aber sie schien auch noch nicht zu gehen. Ich machte erstmal weiter mit meinem kurzen Aufwärmprogramm, ehe ich dieses beendete und mich dann ebenfalls den Strohpuppen widmen wollte. Dabei glitt mein Blick noch einmal kurz zu dem Mädchen, da ich sehen wollte, was sie machte und erwischte dabei genau den Moment, in welchem sich ihr Dreizack in einen... Pinsel verwandelte?! Das war ja mal der Hammer! Training gerade hin oder her, aber da musste ich mal genauer nachfragen. "Oh, warte doch mal kurz!" Es brauchte nur wenige Schritte, bis ich bei ihr stand. "Aber hat sich dein Dreizack gerade tatsächlich in einen Pinsel verwandelt? Das ist ja mal wahnsinnig cool! Und echt praktisch!" Wie begeistert ich davon war, war nicht zu übersehen. Zwar hatte ich schon gesehen, wie Waffen aus dem Nichts zu erscheinen schienen, aber das hatte ich auch noch nicht gesehen.

Und schon stand der Typ wieder bei ihr. Isa seufzte innerlich und wandte ihm ihr ausdrucksloses Gesicht zu. "Was?", fragte sie unwirsch. Bei seiner Frage wurde ihr Blick eine Spur finsterer. "Ja, hat er. Wenn du mehr darüber wissen willst, frag Poseidon." Nicht, dass der sich die Zeit nehmen würde, irgendwelche Fragen zu beantworten. Götter waren sich viel zu wichtig für die Fragen Sterblicher. Und Isa hatte keine Lust, diesem Typen mehr zu erzählen, nur damit der dann einen Grund hatte, Poseidon zu bewundern, oder am besten noch für großzügig zu halten. Sie wandte sich ab und ging zum Rand der Arena, wo sie ihre Wasserflasche abgestellt hatte.

Bei ihrem Blick musste ich mich unweigerlich fragen, ob ich nicht das Falsche gesagt hatte. Doch noch immer nicht ließ ich mich davon so einfach abschrecken. "Poseidon?", fragte ich einen Moment verwirrt nach, ehe sich die Informationen in meinem Kopf recht schnell zu einer naheliegenden Vermutung zusammenfügten. "Ah, dann ist das also von Poseidon? Deinem Vater, richtig? Das ist wirklich beeindruckend." Meine Worte waren erfüllt von unbedarfter Ehrlichkeit, schließlich dachte ich mir nicht allzu viel dabei, denn in meinen Augen war es ein Geschenk von einem Gott an sein Kind. Und ein ziemlich praktisches dazu, denn so ließ sich die Waffe viel leichter tragen. Womöglich hatte der Pinsel auch noch einen tieferen Sinn, wie ich annahm. "Ich glaube kaum, dass ich so schnell zu einem Gespräch mit Poseidon komme. Außerdem will ich mich ja mit dir unterhalten."