Langsam näherten wir uns nun der Rennbahn und ich nahm den letzten Zug von meinem Joint, ehe ich den übrig gebliebenen Stummel ausdämpfte und in meine Tasche steckte, um ihn später wegzuwerfen. Seit etwa fünf Jahren, es ist mehr Arbeit geworden seit die Rennen wieder eingeführt wurden. Davor hatte ich nur Unterricht erteilt für jene die es wirklich dringlich interessierte, nun da es um die Ehre der Hütte ging waren die zahlen meiner Schüler rasant in die Höhe geschossen.

"Kann ich mir vorstellen", meinte ich mit einem Schmunzeln. "Davor hat man das Wagenrennen ja nur sehr selten gebraucht, aber die Wagenrennen sind inzwischen richtig beliebt." Wie ich erleichtert feststellte, steckte Lars den Stummel seines Joints weg, und warf ihn nicht einfach auf den Boden, wie ich es von den Rauchern außerhalb des Camps kannte. "Und glaubst du, du wirst beim Unterrichten bleiben?", fragte ich ihn. Manche Camper hier nahmen den Posten nur übergangsweise an, bis sie wussten, was sie außerhalb vom Camp machen wollten, und ich war mir auch noch nicht sicher, ob ich nach meinem Studium beim Unterrichten bleiben würde.

Ich gab ein zustimmendes Geräusch von mir, ich erinnerte mich noch gut an die Zeit bevor die Rennen wieder eingeführt worden waren, doch ich hatte immer schon eine besondere Vorliebe für das Lenken dieser Wägen gehabt, es war eine wunderbare Weise irgendwohin zu kommen ohne zu viel zu laufen, oder ein Auto haben zu müssen. Sie sind schon sehr spannend. Ich selbst nahm allerdings nie teil, dafür war ich immer schon zu träge gewesen, sogar schon vor meinem Gebrauch von Cannabis. Ich weiß noch nicht, viilicht scho. Wie siehts bei dir aus? Wendy war nur drei Jahre jünger als ich, hatte ihren Posten als Lehrerin in griechischer Mythologie aber noch nicht so lange inne, sicher machte sie sich aber schon Gedanken um die Zukunft. Die Rennbahn kam nun langsam in Sicht und auf ihr stand auch wirklich schon unser Wagen bereit, ein sehr einfaches Modell aus Holz, das quietschorange angestrichen war und auf dessen Seiten je ein riesiges, sich wunderbar mit dem Rest der Farbe beißendes, rotes L prangte. Davor gespannt waren zwei Pegasi, ein Fuchs und ein Schecke, zwei sehr brave Tiere, so brav Pegasi eben sein konnten. Daneben standen zwei junge Campbewohner, Töchter der Chloris soweit ich mich erinnern konnte, jedenfalls konnten sie gut mit Tieren. Gsehd so aus, als könnten wir gleich ahfange.

"Was würde dich denn sonst noch interessieren?", fragte ich neugierig, denn bei Lars klang es so, als gäbe es für ihn zumindest Alternativen. Bei seiner Gegenfrage zuckte ich mit den Schultern. "Ich bin mir noch nicht sicher. Ich studiere inzwischen Psychologie, und würde das Erlernte natürlich schon gerne auch anwenden, wenn ich fertig bin." Wobei ich eher dazu tendierte, im Camp zu bleiben. Für eine Psychologin gäbe es hier auf jeden Fall Arbeit genug, auch wenn einige der Apollo-Kinder da schon einen guten Job machten. Aber jemand mit einer psychologischen Ausbildung konnte da sicher noch einmal einen anderen Blickwinkel aufzeigen. Inzwischen waren wir bei der Rennbahn angekommen, wo ein Wagen bereits auf uns wartete. Die beiden Pegasi, die davor gespannt waren, kannte ich als sehr lieb und zahm. "Hey, ihr beiden", begrüßte ich sie und strich erst dem einen, dann dem anderen sanft über die Blesse. Dann wandte ich mich gespannt dem Wagen zu. "Steht das L für Lars?", fragte ich neugierig nach. Ich lächelte breit, als Lars meinte, wir könnten anfangen. "Also von mir aus können wir sehr gerne loslegen", stimmte ich ihm zu.

Eigentlich die Polizei, aber nicht hier in Amerika. Wenn ich das Campleben einmal komplett aufgeben würde, wollte ich in der Schweiz bleiben, sie war meine Heimat und dort gehörte ich auch hin, ganz abgesehen davon, dass meine Mutter und meine Schwester dort waren. Willst du eine Praxis aufmachen? Ich war mir nicht sicher was man sonst mit einem Studium in Psychologie anfangen konnte, aber ich war sicher, dass Wendy irgendetwas einfallen würde, es war ja immerhin ihr Fach und ihr Job der Wahl. Ich entließ die beiden Mädchen mit einem warmen Lächeln und strich dem Fuchs, der nun neben mir stand, über den kräftigen Hals. Auch, aber ich hab das auch schon auf Fahrschulautos hier in Amerika gesehen. Und natürlich war es umso lustiger, da auch mein Name mit einem L begann, damit war klar wer unter anderem auf dem Wagen war, und auch wozu er da war, zu übersehen war das Teil sowieso nicht. Dann hoch mit dir, nimm die Zügel in die Hand. Ich stellte mich vor die Pegasi und hielt sie fest, auch wenn ich natürlich diese Tiere ausgesucht hatte, weil sie so brav waren und nicht dazu tendierten wegzulaufen, aber Vorsicht war besser als Nachsicht.

Ich schmunzelte. "Als Polizist hättest du zumindest den Vorteil, dass du im Gegensatz zu deinen Kollegen wüsstest, was hinter den ganzen mysteriösen Vorfällen und schlagwütigen Kindern steckt." Dank dem Nebel gerieten junge Halbgötter nämlich immer wieder in Schwierigkeiten mit der Polizei, da diese die Monster, die eigentlich hinter allem steckten, nicht sehen konnten. "Wo wärst du denn dann gerne Polizist?", fragte ich nach, denn es klang so, als hätte Lars ein bestimmtes Land im Sinn bei seiner Aussage. Bei seiner Gegenfrage schüttelte ich den Kopf. "Zumindest nicht in der Welt der Sterblichen", meinte ich. "Hier im Camp wäre das aber schon eine Option für mich." Ich verabschiedete noch die beiden Mädchen, als sie gingen, da sie jünger waren, waren sie bei mir im Unterricht. "Stimmt, jetzt, wo du es sagst, ab und zu sieht man das tatsächlich", stimmte ich ihm mit einem nachdenklichen Lächeln zu. Als es schließlich daran ging, auf den Wagen zu steigen, zögerte ich ganz kurz, riss mich dann aber zusammen und kletterte hinauf. Ich war schließlich nicht nur hier, um mich mit Lars zu unterhalten, so angenehm das auch war. Ich griff vorsichtig nach den Zügeln und sah dann fragend zu Lars.

Ich hoffe ich kann anderen Halbgöttern so helfen. Wie so viele wusste auch ich genau wie schwer es oft war Erwachsenen, und gerade Polizisten, zu erklären warum man gerade ein anscheinend entzückendes Mädchen mit einem Hammer niedergeschlagen hatte, wenn die Person nicht einsehen wollte, dass es sich dabei um ein scheußliches Monster in Verkleidung gehandelt hatte. I wes no ned. Nachdenklich kraulte ich den Pegasus vor mir und bemerkte meinen kurzen, aber völligen Abrutscher in meinen Dialekt gar nicht. Am liebsten aber in der Schweiz, da braucht es mehr die auf unsere Leute schauen. Wendy hingegen schien die Zukunft ihres im Moment studierten Jobs am ehesten im Camp zu sehen, was ich mit einem langsamen Nicken bedachte. Das bräuchte man hier dringend. Im Moment war ja alles sehr friedlich, aber noch vor kurzem hatte das mal wieder ganz anders ausgesehen, es gab mehr als genug Campbewohner die Wendys Unterstützung brauchten oder noch brauchen würden. Nun kletterte die jüngere Frau folgsam auf den auffälligen Wagen rauf und nahm wie geheißen die Leinen in die Hand. Ich nickte ihr zu, tätschelte die Pegasi noch einmal und machte mich dann daran mich zu Wendy auf den Wagen zu begeben. das Aufsteigen war beschwerlich, doch ich hatte ja schon Übung darin und stand so bald neben meiner Fahrschülerin. Diese Pegasi sind auf ein Zügelsignal trainiert, das kann aber je nach dem was ihr Vorspannt anders sein. Du ziehst die Leinen leicht zu dir und gibst dann wieder nach, dazu sagst du sowas wie "Los", dann sollten sie losgehen. Ich lehnte mich an die Wand des Wagens neben mir, um mein Bein zu entlasten, und lächelte Wendy aufmunternd an.

Ich nickte verstehend. "Ja, mehr Polizisten, die wissen, was Sache ist, wären wirklich hilfreich." Dass Lars Schwierigkeiten haben könnte mit seinem Bein, als Polizist angenommen zu werden, erwähnte ich nicht, denn das war ihm wohl selbst bewusst, und ich wollte nicht darauf herumreiten. Seinen nächsten Satz verstand ich nicht, aber dafür den darauffolgenden. "Die Schweiz soll sehr schön sein", merkte ich an. "Ja, in Europa haben es Halbgötter wohl allgemein schwerer." Nachdem es dort vor alten Monstern nur so wimmelte, das sichere Camp aber auf der anderen Seite des Atlantiks lag... Ich nickte ernst, als Lars meinte, dass so etwas wie eine therapeutische Praxis hier dringend gebraucht werden würde. "Ja, gerade nach den letzten Schlachten kann ich hier bei einigen die Anzeichen einer PTBS erkennen", erzählte ich. Doch jetzt hatte erst einmal der Unterricht Vorrang. Ich verzichtete darauf, Lars meine Hilfe beim Aufsteigen anzubieten, denn ich wollte nicht, dass er sich in irgendeiner Weise schämte, er schien die Dinge lieber selbst anzugehen. Bei seiner Erklärung nickte ich. Ich prägte mir alles gut ein, denn ich ging davon aus, dass Romeo Pegasi als Zugtiere wollen würde, und folgte dann Lars' Anweisung. Vorsichtig zog ich die Zügel heran und ließ sie dann wieder locker, und sagte dabei klar und deutlich "Los", in der Hoffnung, dass die Pegasi nicht gleich davon galoppieren würden.

Ich dachte daran wie angenehm von Zeit zu Zeit Polizeischutz gewesen wäre, nicht nur in der Schule, sondern auch auf dem beschwerlichen Weg hierher, ein Erwachsener mit Erfahrung der helfen konnte, das war es was ich gerne sein wollte, ich half einfach gerne, das lag mir im Blut, und ich wollte andere davor bewahren die selben Schwierigkeiten durchzumachen wie ich. Die Schweiz ist das schönste Land auf der Welt. Ich nickte überzeugt auf meine eigenen Worte hin, kein Land konnte in meinen Augen jemals schöner sein als meine Heimat. Ich vermisste die Berge mit jedem Tag, ich mochte die Landschaft um das Camp herum, ja, aber diese Hügel konnten niemals an die zerklüfteten Felsen der Alpen heranreichen. Kein Wunder, die Schlachten waren gfüürchig. Mein Bein flammte bei dem Gedanken an die vergangenen Kämpfe im Schmerz wieder auf und ich griff erneut nach meinem Zigarettenetui, um ihm einen Joint zu entnehmen. Während ich ihn entzündete kam Wendy meinen Anweisungen nach und die Pegasi schritten brav langsam voran, auch wenn sie Wendys Unsicherheit spürten und entsprechend die Ohren verdrehten. Lenken ist ganz einfach, zieh die linke Leine nach links wenn du dahin willst und anders herum. Wenn du willst, dass sie schneller gehen gib ihnen mehr Zügel und sag die Schrittart an, in einem auffordernden Ton. Erstmal fahren wir ein bisschen hier im Kreis.

Ich schmunzelte, als Lars so von der Schweiz schwärmte. "Du musst deine Heimat ziemlich vermissen", merkte ich sanft an. Es war sicher nicht leicht, so weit weg von dort zu leben, aber ein Halbgötter-Camp gab es in Europa nun einmal nicht. Auf seine Bemerkung über die Schlachten hin nickte ich nur zustimmend, sagte aber nicht mehr dazu. Ich dachte auch nicht gerne daran zurück. Meine Laune besserte sich aber sofort wieder, als die Pegasi tatsächlich meinem Kommando folgten und los schritten. "Also eigentlich nicht viel anders als beim Reiten", stellte ich fest, als Lars mir die Zügelführung erklärte. An sich hatte ich nichts gegen Schritt, aber so gewann man keine Wagenrennen, also riss ich mich zusammen und ließ die Zügel etwas lockerer, während ich laut und deutlich "Trab!" rief.

Sehr, ja. Es war ja nicht so als wäre ich nie in meinem Heimatland, im Gegenteil eher, aber ich vermisste es doch jedes Mal, wenn ich nicht dort war. In der Schweiz erschien mir alles im richtigen Tempo zu sein, das war ich gewöhnt, die Amerikaner waren viel zu gehetzt für meinen Geschmack. Thema Gehetzt, Wendy beschloss direkt in den Trab zu wechseln, die Pegasi kamen dem Kommando auch sofort nach, und nun ging es wesentlich schneller um die Bahn herum als vorher noch. Gut, Augen nach vorne, beim Wagenfahren muss man sehr aufmerksam sein. Oh und sei immer darauf gefasst, dass die Pegasi irgendwas erschrecken könnte. Sie waren zwar weitaus weniger Schreckhaft als normale Pferde, aber das Fluchttier in ihnen war trotzdem noch stark vorhanden und darauf musste man achten. Entspannt stand ich an die Wagenwand gelehnt und nahm einen tiefen Zug von meinem Joint. Ich war vollkommen ruhig, nicht nur, weil das einfach meiner Art entsprach, das war allerdings ein großer Teil davon, sondern auch deshalb, weil ich schon lange verstanden hatte, dass man Fahrschüler nicht stressen durfte, sonst gerieten sie noch in Panik und so entstanden nur umso mehr Fehler.

Ich konnte mir nicht vorstellen, wie es sein musste, so weit weg von seiner Heimat zu sein, weswegen ich lieber schwieg und mich ganz auf das Fahren konzentrierte. Im Trab war es schon etwas schwieriger, im Wagen das Gleichgewicht zu halten, da fand ich es wirklich erstaunlich, wie ruhig Lars währenddessen dastehen und rauchen konnte. Da ich aber seiner Aufforderung folgte, konnte ich auch nicht genauer darauf achten, wie er das machte, sondern hielt den Blick stur geradeaus gerichtet. "Das könnte bei einem dieser Wagenrennen dann aber problematisch werden, oder?", fragte ich ihn. Da war das Ziel unter anderem ja, die Gegner von der Bahn abzubringen. Da hatten die Ares- und Hephaistos-Kinder dann leichter mit ihren nicht-lebendigen Zugtieren.

Die Pegasi verhielten sich ruhig und reagierten auch gut auf Wendys Leinenführung, aber natürlich war diese Fahrt noch alles andere als schwierig, immerhin behielt ich noch zusätzlich alles im Auge, wir zogen ruhige, große Kreise, es gab keinen Grund sich zu stressen und es explodierte nichts in unmittelbarer nähe, die idealen Voraussetzungen also, die aber bei den Rennen nicht gegeben waren. Allerdings, am besten wäre es, wenn ihr eure Zugtiere, an allerlei Krawall gewöhnt. Wenn ihr Lebendige nehmt natürlich. Ich ging aber davon aus, bei den Kindern des Ares und des Hephaistos etwa war das traditionell etwas anders. Das gilt übrigens auch für dich, du darfst dich genauso wenig ablenken oder erschrecken lassen.

Ich musste lächeln. "Ich weiß ja nicht, was Bella dazu sagen wird." Bella war eine meiner Halbschwestern und die Reitlehrerin hier im Camp. Sie liebte die Pegasi und wäre sicher nicht begeistert, wenn wir ihnen einen halben Herzinfarkt nach dem anderen verpassen würden, um sie an Krawall zu gewöhnen. Bei Lars' Hinweis lächelte ich zuversichtlich. "Ich bin nicht so leicht zu erschrecken", sagte ich selbstbewusst. Schließlich gehörte ich zu den kämpferischeren Kindern der Aphrodite, und war stolz darauf.