Äußerlich wirkte ich ruhig, doch innerlich wartete ich regelrecht hibbelig darauf, dass Lila so weit war. Es war zwar nur ein kleiner, der Unterhaltung dienender Wettkampf, doch egal, worum es ging, das Gefühl dabei war für mich immer gleich: Aufgeregte Erwartung, und beim Wettkampf selbst gab ich ebenfalls immer alles, egal, worum es ging. Als Lila bereit war, zählte ich von drei runter, und begann dann, so schnell wie möglich die Shirts, die dort lagen, nach Größe und Aussehen sortiert aufzuschreiben und zu zählen. Meine Schrift war durch die Schnelligkeit etwas unordentlicher als sonst, aber immer noch lesbar. Ich achtete nicht wirklich darauf, wie Lila vorankam, weil ich mich ganz auf meine eigene Aufgabe konzentrierte.

Ich klatschte erfreut in die Hände und überhörte dabei ganz Lilas mangelnde Begeisterung. "Das klingt nur fair", stimmte ich ihrer Forderung zu. An die obersten Regale kam sie bei ihrer Größe tatsächlich nicht einfach so heran, und ein Wettkampf, bei dem ich von vornherein durch meine Körpergröße einen Vorteil hatte, wäre wohl kaum eine echte Herausforderung. "Also dann, auf drei?", fragte ich sie und stellte mich schon einmal an der einen Seite der Regale auf, wobei ich darauf wartete, dass Lila ebenfalls ihre Startposition einnahm.

Lila war von meinem Vorschlag leider nicht sehr angetan, was mich leicht den Kopf schütteln ließ. "Im Gegenteil, meiner Meinung nach fördert ein gesunder Wettstreit die Produktivität", widersprach ich ihr. "Und es macht Spaß! Den können wir bei so einer trockenen Aufgabe ja gut gebrauchen." Ich zwinkerte ihr zu. "Und als Gentleman würde ich dir auch die Wahl überlassen, wer wo anfängt, damit hast du dann einen kleinen Vorteil." Zwar war mir durchaus bewusst, dass anderen Wettkämpfe nicht unbedingt so viel Freude bereiteten wie mir, aber um das wirklich wahrhaben zu können, brauchte ich immer eine Weile. Und so einfach ließ ich mich sowieso nicht von einer Herausforderung abbringen, auch wenn ich diese gerade erst selbst geschaffen hatte und Lila wenig angetan davon zu sein schien, sie anzunehmen.

Irgendwie erschien das Mädchen vor mir ein wenig eingeschüchtert zu sein, und mir wurde damit auch bewusst, dass es für sie vielleicht wirklich etwas bedrohlich wirkte, wenn jemand, der so groß war wie ich, so nahe an sie herantrat. Nachdem sie also meinen Händedruck erwidert hatte, trat ich wieder einen Schritt zurück, um ihr ein wenig Raum zu geben. "Freut mich, dich kennen zu lernen, Lila", meinte ich mit einem Lächeln und ging auf die Tatsache, dass sie ihr göttliches Elternteil nicht genannt hatte, erst einmal nicht weiter ein. Immerhin schien Lila recht fokussiert auf unsere Aufgabe zu sein und die Arbeit nicht mit unnötigem Gequatschte hinauszögern zu wollen, was sie mir schon einmal sympathisch machte. Ich nickte und reichte ihr eines der Klemmbretter mit weißem Papier, die auf dem Tresen für uns bereit lagen. "Also, so, wie es aussieht, lassen sich die Sachen hier in Kleidungsstücke, Toilettenartikel und Andenken unterteilen. Wollen wir bei der Kleidung anfangen? Die dürfte am schnellsten gehen, dann haben wir das schon einmal hinter uns." Ich grinste, als mir eine Idee kam. "Wie wäre es, wollen wir einen kleinen Wettbewerb daraus machen, um uns zu unterhalten? Wer am meisten schafft?"

Ich hatte bereits begonnen, die Gegenstände im Laden genauer zu sichten und im Geist in Kategorien zu unterteilen, als mich eine schüchtern klingende Stimme zur Tür wenden ließ. Vor mir stand eine ziemlich kleine und zierlich wirkende junge Frau, die mir irgendwie bekannt vorkam. Ich hatte sie auf jeden Fall schon einmal gesehen, konnte ihr aber keinen Namen zuordnen. "Hey. Na dann, herzlich willkommen", begrüßte ich sie mit einem Lächeln und trat mit ausgestreckter Hand auf sie zu. "Ich bin Liam Hunter, Sohn der Nike." Jetzt, da ich vor ihr stand, wirkte sie noch kleiner. Ich überragte sie sicher um an die 30 Zentimeter.

Ich stand inmitten des aktuell geschlossenen Andenkenladens und musterte kritisch die Auslage. Chiron hatte mich gebeten, die Inventur zu machen, die jedes Jahr fällig wurde, und mir dafür die Schlüssel gegeben. Er hatte mich ausgewählt, weil er mir vertraute und wusste, dass ich gut mit Zahlen konnte, und das schmeichelte mir, jedoch hatte er verschwiegen, wie viel Arbeit das werden würde. Ich war schon länger nicht mehr hier gewesen, die orangenen Camp-T-Shirts waren einfach nicht mein Stil, und so hatte ich nicht mehr vor Augen gehabt, wie viel Kleinkram hier herumlag, und wie lange mich diese Aufgabe vom Lernen abhalten würde. Er hatte auch erwähnt, dass er mir noch jemanden als Hilfe schicken würde, aber noch war niemand zu sehen. Gut, ich war auch etwas früher dran, aber selbst zu zweit würden wir hier wohl eine Weile beschäftigt sein.