Der Tisch ihrer Jägerinnen war bereits voll besetzt, und mit einem Lächeln ließ sich Artemis mitten unter ihnen nieder. Jedoch nicht ohne Lucy die Erlaubnis zu geben, sollte sie es denn wünschen, sich zu ihrem Bruder zu gesellen. Den konnte sie am Tisch ihres Bruders jedoch nicht entdecken, sie suchte aber auch nicht weiter nach ihm, sondern konzentrierte sich lieber auf ihre Jägerinnen, die sich größtenteils darüber zu freuen schienen, wieder im Camp zu sein.

Artemis konnte beobachten, wie Lucys ganze Haltung selbstbewusster wurde, und lächelte versonnen. Sie wusste aus Erfahrung, dass selbst die stärksten Menschen hin und wieder eine Erinnerung an die Kraft brauchten, die sie besaßen. "Ich bin mir sicher, das wirst du", versicherte sie der jungen Jägerinnen. "Sonst hätte ich dich nicht in unseren Reihen aufgenommen." Auch wenn sie grundsätzlich jeder Maid helfen wollte, die diese Hilfe benötigte, in die Gruppe ihrer Jägerinnen nahm sie nur diejenigen auf, die sie für würdig erachtete. Schließlich waren sie eine Gemeinschaft, die sich aufeinander verlassen können musste. In dem Moment erschallte das Muschelhorn, das die Halbgötter zum Abendessen rief. "Nun, ich würde sagen, die Suche nach deinem Bruder hat sich eben vereinfacht", stellte Artemis fest. "Lass uns zum Essen gehen." Sie wandte sich ab und ging davon, davon ausgehend, dass Lucy ihr folgen würde.

-> Speisepavillon, Tische der Olympischen Hauptgötter

Artemis merkte, wie Lucy bei ihrer Berührung kurz zusammenzuckte. Diese Angelegenheit hatten sie jedoch schon vor einer Weile geklärt, denn auch wenn Lucy bei Berührungen erst einmal erschreckte, fühlte sie sich bei den Jägerinnen inzwischen sicher genug, um diese zuzulassen, was Artemis als einen Fortschritt betrachtete. Bei ihrem hoffnungsvollen Blick schenkte sie dem Mädchen ein Lächeln. "Natürlich. Du bist jetzt eine Unsterbliche, Lucy, das bedeutet jedoch nicht, dass du dich nicht mehr weiterentwickeln kannst. Dein Körper wird für immer bleiben, wie er ist, deine Persönlichkeit jedoch wird sich mit den Erfahrungen, die du machst, wandeln. Es waren nicht alle Jägerinnen, die du kennen gelernt hast, von vornherein diese mutigen, selbstbewussten und starken Frauen. Viele von ihnen sind uns beigetreten, weil sie wie du einen Grund hatten, aus ihrem vorherigen Leben zu flüchten, und wie du waren sie stark genug, die Entscheidung zu treffen, ihr Leben in die eigenen Hände zu nehmen." Ihr Lächeln vertiefte sich. "Und auch wenn es dir nicht so vorkommt, diese Entscheidung alleine zeigt bereits, dass du Kampfgeist in dir hast und in der Lage bist, deine Ängste zu überwinden."

Artemis schwieg eine Weile. Die meisten ihrer Jägerinnen schlossen sich ihr an, weil sie in ihrem früheren Leben etwas erlebt hatten, dass so gravierend und schrecklich gewesen war, dass eine Rückkehr in das alte Leben unmöglich war. Sie kannte genug von Lucys Geschichte, um zu wissen, dass es sich bei ihr ähnlich verhielt. Wenn sie nicht gewusst hätte, dass Lucy hierher zurück wollte, um ihren Bruder zu sehen, hätte sie sie auch gar nicht mit hierher gebracht. "Das verstehe ich", sagte sie und legte Lucy sanft eine Hand auf die Schulter, wobei es trotz ihrer kindlichen Größe nicht wirkte, als müsste sie sich irgendwie dafür strecken. "Ich kann dir aber versprechen, dass es besser werden wird. Nicht umsonst sagt man, dass die Zeit alle Wunden heilt. Du hast eine ganze Gemeinschaft hinter dir. Du wirst Monster jagen, Abenteuer erleben, Herausforderungen bestehen und dich dabei immer auf den Rückhalt der anderen Jägerinnen verlassen können. Du wirst wachsen, und irgendwann, wenn du hierher zurück kommst, wird das hier einfach ein Camp sein, nichts weiter, ohne die schlechten Erinnerungen, die du jetzt noch damit verbindest."

Artemis war eine Weile durch das Camp geschlendert, um sich anzusehen, wie dieses sich seit ihrem letzten Besuch entwickelt hatte und was die Kinder der Götter so trieben. Es war immer wieder interessant, hier zu sein, auch wenn sie es üblicherweise vorzog, mit ihren Jägerinnen alleine durch die Wälder zu ziehen. Aber es hatten sich ihnen in der letzten Zeit einige noch recht junge Halbgöttinnen angeschlossen, und so hielt es Artemis für sinnvoll, die Ablösung von den Sterblichen langsam vonstatten gehen zu lassen und hin und wieder hierher zu kommen, um zumindest ein wenig Anschluss an das alte Leben zu ermöglichen. Und wo sie schon dabei war... Sie war inzwischen bei den Erdbeerfeldern angekommen, und dort entdeckte sie eine ihrer jüngsten Jägerinnen, die ein wenig verloren aussah. Leise trat Artemis an ihre Seite. "Wie ist es für dich, wieder hier zu sein?", fragte sie das junge Mädchen sanft.